Ruhendes Verhältnis zu INTEGRA und Infos zum Kommunalwahlrecht

Christoph Traub sorgt sich um die Demokratie

FILDERSTADT. In diesen Tagen feiert die Bundesrepublik Deutschland ein besonderes Jubiläum: 75 Jahre Grundgesetz. Oberbürgermeister Christoph Traub wehrt sich entschieden gegen „beunruhigende Kräfte“ in der Gesellschaft – die diese freiheitliche demokratische Grundordnung ins Wanken bringen möchten. In sein Visier sind als Institutionen zwei Filderstädter Migrantenvereinigungen geraten. Im Rahmen eines Pressegesprächs hat er am vergangenen Freitag in der FILharmonie über das „angespannte Verhältnis der Stadt zu INTEGRA“ gesprochen und gleichzeitig – mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen - über gesetzliche Vorgaben informiert: Wer gewählt werde, könne nicht einfach auf sein Amt verzichten.  

Christoph Traub betont unmissverständlich: „Ich bin ein demokratisch erzogener Jurist und habe einen sehr klaren Ordnungsbegriff, der sich an unserem Grundgesetz orientiert.“ Und weiter: „Zudem lehne ich Pauschalverurteilungen – zum Beispiel von Migrant*innen – ab.“ Die jüngsten öffentlichen Diskussionen über die türkischen Rechtsextremisten („Graue Wölfe“) sowie deren Kontakte in Filderstädter Vereine haben das Stadtoberhaupt erneut handeln und Klartext reden lassen. Traub: „Wir lehnen jede Form von Extremismus – von Angriffen auf unser Grundgesetz sowie unsere Demokratie - ab.“ 

Zur Vorgeschichte: Nachdem im Jahre 2019 bereits konkrete Hinweise auf eine Verortung der „Grauen Wölfe“ in den Reihen des Deutsch-Türkischen Freundschaftsvereins Filderstadt bekanntgeworden waren, habe in der Stadt, so Traub, sofort ein „Haltungsprozess“ begonnen. Konkret heißt dies, der Kontakt wurde quasi „auf Eis gelegt“, ein ganzes Maßnahmenbündel (mit neun Punkten) festgelegt und gegenüber den Fraktionsvorsitzenden kommuniziert. So erhielt der besagte Verein beispielsweise keine Einladungen mehr zu städtischen Veranstaltungen, keine Besuche der Verwaltungsspitze,… Traub ergänzt: „Auch zum Forum Interkulturelles Miteinander – kurz FIM genannt – erhielten Vertreter*innen des Deutsch-Türkischen Freundschaftsvereins keine Einladungen mehr.“ Dies gelte auch für die Steuerungsgruppe des Vielfaltskonzepts.  

Verfassungsschutz eingeschaltet 

Der Oberbürgermeister blickt zurück: Schon früh habe die Stadt den Verfassungsschutz eingeschaltet und ihre Erkenntnisse (über den Verein) mit den Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat geteilt. In Sachen Migrationsverein INTEGRA sei bis heute kein Hinweis eingegangen, dass dieser von den „Grauen Wölfen“ unterwandert werde. Und dennoch habe man (zunächst) die Zusammenarbeit „ruhend gestellt“. Christoph Traub: „Das Miteinander von INTEGRA und dem Deutsch-Türkischen Freundschaftsverein geht nach einer uns zugegangenen Stellungnahme von INTEGRA über die reine Kontaktpflege hinaus.“ Der Oberbürgermeister spricht in seiner Beurteilung über „Institutionen – noch nicht über Personen“. Er hat den „Fall“ zur „Chefsache“ erklärt.  

Der überzeugte Demokrat fordert ein umfassendes Gespräch mit den „handelnden Personen“ – sprich den „Köpfen“ von INTEGRA. Der Austausch solle unter anderem „Aufklärung, Positionierung, Distanzierung, Haltung und Abgrenzung“ gegenüber den „Grauen Wölfen“ bringen. Erst dann werde über das weitere städtische Vorgehen beraten. Bis dahin hat Christoph Traub unter anderem ein Einladungsverbot für die Mitglieder verhängt sowie die Auszahlung von Projektfördermitteln stoppen lassen.  

Bessere Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden gefordert

Um antidemokratischen Kräften in der Gesellschaft wirksam begegnen zu können, fordert das Filderstädter Stadtoberhaupt auch eine bessere Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden. Aus diesem Grund hat sich Traub bereits an das Innenministerium gewandt, um schnellere und umfassendere Auskünfte über Rechtsextremisten wie die „Grauen Wölfe“ zu erhalten. „Nur mit dem richtigen Wissen, können wir handeln.“ Auf seiner „To-Do-Liste“ stehen zudem Schulungen der städtischen Bediensteten. Auch hier sei stete Aufklärungsarbeit wichtig.

Derzeit in vielen Medien: Wie umgehen mit Extremisten wie den „Grauen Wölfen“ bei anstehenden Wahlen? Traubs Klarstellung: „Für die Aufstellung der Wahllisten sind nicht wir als Stadt – sondern die entsprechenden Parteien oder Wählervereinigungen – verantwortlich.“ Der örtliche Gemeindewahlausschuss prüfe laut Gesetz lediglich die grundsätzliche „Wählbarkeit“ einer/s Kandidierenden (Staatsangehörigkeit Deutsch, Unionsbürger*in, Mindestalter von 16 Jahren, Hauptwohnsitz, Vorliegen von Straftaten,…). „Auch hier müsste uns der Gesetzgeber mit einem besseren Handwerkszeug zur Personen-Kontrolle und/oder Wählbarkeitsvoraussetzungen ausrüsten“, fordert Traub ein.  

Gemeinderatssitz kann nicht einfach abgelehnt werden

Apropos eventuelle „Graue Wölfe“ auf der einen oder anderen Wahlliste. Der geäußerte Vorschlag, im Falle einer Wahl sollten besagte Personen diese einfach nicht annehmen, sei rechtlich nicht haltbar, erklärt der Jurist Traub, der sich auch in der Informationspflicht den Bürger*innen sieht. Eine ehrenamtliche Tätigkeit (wie ein Sitz im Gemeinderat) könne nur aus einem wichtigen Grund (anhaltend krank, häufig beruflich abwesend, über 62 Jahre alt, Fürsorge der Familie erheblich behindert,…) abgelehnt werden und müsse letzten Endes vom Gremium beschlossen werden. Selbst wenn erreichte Mandate nicht von gewählten (rechtsextremistischen) Personen besetzt würden, würde das Stimmenpotenzial bei der jeweiligen Liste verbleiben.  

So manche antidemokratische Entwicklung sorgt Christoph Traub. Er spricht offen über seine Ablehnung rechtsextremistischen Gedankenguts: „Es ist falsch, wenn sich ein Volk über ein anderes erhebt und einen nationalistischen Anspruch formuliert.“ Seine persönliche Motivation, öffentlich Stellung zu beziehen: „Ich will, zumindest wo ich Verantwortung trage, dass wir es nicht so weit kommen lassen, dass wir Menschen schützen müssen, die zum Schutzsuchen zu uns gekommen sind.“ (sk)