Einbringung des Doppelhaushalts für 2024/2025:

Der Oberbürgermeister redet Klartext

OB am Rednerpult
Oberbürgermeister Christoph Traub.

FILDERSTADT. Bei der Einbringung des Doppelhaushalts für 2024/2025 hat Oberbürgermeister Christoph Traub am Montagabend in der FILharmonie zweifellos Klartext geredet. Er kritisierte Bund und Land für das Abschieben wichtiger (Pflicht-)Aufgaben auf die Kommunen und sprach über die weltweiten finanziellen Auswirkungen von Krieg und Leid – auch für Filderstadt. Sein Fazit: „Wir haben unsere Leistungs- und Belastungsgrenze erreicht.“ Bei allen selbstverständlichen humanitären Verpflichtungen sei es für Verwaltung und Gemeinderat aber auch ein wichtiges Anliegen, „in die Breite unserer Gesellschaft“ zu investieren, sprich die Menschen hier vor Ort nicht aus den Augen zu verlieren.

In seinen Anfangsworten sagte Christoph Traub, dass es ihm nicht leichtgefallen sei, angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Welt und dem damit verbundenen Leid eine Haushaltsrede zu verfassen, die Filderstadt in den Fokus rücke. Im Vergleich zu den aktuellen Katastrophen in vielen Ländern der Erde seien die Herausforderungen in der Großen Kreisstadt nur „klein und fast unbedeutend“. Und dennoch müsse, so das Stadtoberhaupt, auch das Leben hier „in guter Weise“ weitergehen.

Gerade in schwierigen Zeiten, in denen viele Menschen von all‘ den täglichen Schreckensmeldungen „müde“, „erschöpft“ und „überfordert“ seien, sei es wichtig, die „Politik der kleinen Schritte“ (ein ehemaliger Leitgedanke von Willy Brandt und Egon Bahr) neu zu definieren. Filderstadts Oberbürgermeister bezeichnet die Kernpunkte dieser Politik als „aktueller denn je“ und zählt sie auf: Zusammenhalt, Mauern überwinden, Zusammenleben in Frieden, gegenseitiges Ansehen und Vertrauen, Ergreifen vertrauensbildender Maßnahmen, Kontakte aufbauen, wo keine bestehen.

„Den Kommunen aufs Auge gedrückt“

Die Kommunen stünden, so Traub, vor immer größeren und erdrückenderen Herausforderungen. Ein Grund dafür: „Es ist schlicht eine Tatsache, dass Bund und Land die von ihnen jeweils formulierten Aufgaben nicht mehr umsetzen, sondern umsetzen lassen. Rund 80 Prozent der Aufgaben, die der Gesetzgeber in den vergangenen acht Jahren formuliert hat, werden der kommunalen Ebene schlicht aufs Auge gedrückt.“ Als prominentes Beispiel nannte er den Glasfaserausbau: „Während in den 50er Jahren noch selbstverständlich war, dass ein Bundespostministerium dafür Sorge trägt, dass bundesweit jeder Haushalt in den Genuss eines kleinen grauen Kastens mit Wählscheibe kommt, ist der Bund heute nicht mehr in der Lage, diese für unser Land wichtige Infrastrukturaufgabe bundesweit zu organisieren.“ Angesichts dieser negativen Entwicklungen sei er „nicht mehr bereit hinzunehmen“, dass die Stadt, der Gemeinderat und die Beschäftigten für die Folgen dieser „Verschiebe-Politik von oben“ verantwortlich gemacht würden.

Apropos Abschieben von wichtigen Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf die Kommunen: Für die Stadt Filderstadt sei der Glasfaserausbau aber ein wichtiger Standortfaktor. Da der Bund hier nicht aktiv werde, müsse, so Traub, die Kommune einspringen. Genauer gesagt würden die Filderstadtwerke mit dieser weiteren Zusatzaufgabe „betraut“ – natürlich ohne dabei ihre gängigen Aufgaben vernachlässigen zu dürfen: in der Daseinsvorsorge, in der Strom- und Wasserversorgung, in der Bereitstellung von Bädern, in der Verkehrs-, Energie- und Wärmewende …

Dem nicht genug. Der Bund nehme nicht nur so manche (Pflicht-)Aufgabe nicht wahr – er bürde den Kommunen gleichzeitig riesige bürokratische Hürden auf. Als Beispiel nannte der Rathauschef die „überbordenden Vergabevorschriften, die uns bei zahlreichen Projekten nicht vorwärtskommen lassen“. Christoph Traub: „Wenn ich nur daran denke, dass wir mittlerweile 18 Monate benötigen, um die Vergabe eines Gebäudeabbruchs rechtskonform zu bewerkstelligen.“

Hohe Investitionen, hohe Kreditaufnahme

Nun zum Doppelhaushalt 2024/2025: Im Rahmen zweier Klausurtagungen haben Verwaltung und Gemeinderat eine gemeinsame Investitionsstrategie beraten. Diese stelle laut Traub nicht die Ressource „Finanzen“, sondern die Ressource „Personal“ in den Vordergrund der Entscheidungen. Der Oberbürgermeister: „Wir sind bewusst der Frage nachgegangen, was bekommen wir überhaupt umgesetzt. Und im zweiten Schritt, welche Finanzierung braucht es dafür.“

Der Haushaltsentwurf sieht ein Investitionsvolumen von rund 165 Millionen Euro vor. Dies führe nach städtischen Prognosen allerdings auch zu einer Verschuldung beziehungsweise Kreditaufnahme von rund 79 Millionen Euro (falls sich die Einnahmesituation nicht verbessere).

In seiner Rede verwies der Oberbürgermeister auf die schwierige Ausgangssituation für die Aufstellung eines neuen Doppelhaushalts angesichts zahlreicher unbekannter Faktoren: der Folgen von Corona, des Krieges gegen die Ukraine, des Angriffs auf Israel (samt heftig aufkeimendem Nahost-Konflikt): „Pandemie, Kriege und Konflikte haben eine welt- und finanzpolitische Auswirkung, die wir so noch nicht kannten. Finanzhilfen, Lieferkettenprobleme, Inflation und Rezession sowie die damit einhergehende Unsicherheit belasten jeden Haushalt – auch den ganz persönlichen.“ Die Veränderungsprozesse zögen sich, so Traub, inzwischen durch alle Branchen hinweg.

„Wohnungsbau auch schaffen lassen“

Der Blick auf den Filderstädter Haushalt: Der Einnahmebereich (Gewerbe-, Einkommenssteuer) verzeichnet eine „bislang nie dagewesene Steigerung“ (Traub). Gleichzeitig sind aber auch die Ausgaben exorbitant angestiegen. Gerade die Personalkosten (jährlich von 50 Millionen Euro) hätten sich „zu einem bestimmenden Haushaltsfaktor“ entwickelt.

Weitere Kostenfaktoren: Neu im Haushalt wird die Umsetzung der Klimaresolution sowie der Klimaneutralitätsstrategie mit jährlich vier Millionen Euro abgebildet. Einen zusätzlichen Investitionsschwerpunkt wollen Verwaltung und Gemeinderat auf den Wohnungsbau legen. Christoph Traub appelliert hier an Bund und Land: „Man muss uns aber auch den Wechsel zum Wohnungsbau schaffen lassen. Wir können nicht nochmals Jahre mit all‘ unseren Kapazitäten im Bau von Unterkünften für Geflüchtete verharren. Es war uns 2017 zugesagt, dass wir unsere Integrationsleistung auf Menschen fokussieren und konzentrieren können, die eine hohe Bleibewahrscheinlichkeit mitbringen. Dieses Versprechen wird nicht eingehalten und überfordert uns mittlerweile – auch gesellschaftlich.“

Viele Investitionen vor Ort

Auch die Herausforderungen der Menschen vor Ort dürften, so Traub, nicht aus den Augen verloren werden. Stadt und Gemeinderat wollten auch „in die Breite der Gesellschaft“ investieren. Anbei ein paar geplante Vorhaben:

  • Erweiterungsbau Elisabeth-Selbert-Gymnasium (ESG) mit rund 23 Millionen Euro
  • Anbau am Biologietrakt des ESG
  • Digitalisierung der weiterführenden Schulen
  • neues Kinderhaus an der Brühlstraße in Sielmingen
  • Ersatzneubau Gotthard-Müller-Halle als Drei-Feld-Halle mit 19 Millionen Euro
  • Neubau Jugendhaus „Z“ mit rund zehn Millionen Euro
  • Städtische Sporträume im sanierten Gartenhallenbad für drei Millionen Euro
  • S-Bahn-begleitende Maßnahmen
  • Planungsleistungen für je ein neues Feuerwehrhaus in Harthausen und Plattenhardt
  • Sanierung städtischer Gebäude wie an der Lange Straße 31 (Sielmingen) und an der Stuttgarter Straße 12 (Plattenhardt)
  • Investitionen in die Straßeninfrastruktur (Beispiel: Paul-Gerhardt-Weg)
  • Umsetzung des Mobilitätsentwicklungsplans

Bürgerservicezentrum wird vorangetrieben

Die Investitionen in eine zukunftsfähige Verwaltung – auch als Service für die Bevölkerung – werden im Blick behalten. Ein Baustein der Verwaltungszentralisierung und –optimierung werde weiter vorangetrieben: die Umsetzung des Bürgerservicezentrums an der Volmarstraße in Bernhausen.

In seiner Rede hob Christoph Traub zwei städtische Bereiche stellvertretend hervor, die derzeit wichtige Funktionen für viele andere übernehmen: zum einen das Kultur- und Kongresszentrum FILharmonie (auch als „Vorzeigeobjekt auf dem Weg der Klimaneutralität“), zum anderen die Filderstadtwerke (die einen „wesentlichen Beitrag zur Erfüllung und Umsetzung unserer Klimaschutzstrategie“ leisteten).

Trotz aller großen (finanziellen) Herausforderungen, denen sich auch Filderstadt stellen müsse, kam Oberbürgermeister Christoph Traub schließlich zu folgendem Fazit: „… und dennoch haben wir in Filderstadt im Vergleich zu vielen anderen Kommunen eine mehr als gute Ausgangslage …“ (sk)