Gemeinsame Gedenkstiftung zeichnet fünf zivilgesellschaftliche Projekte aus

„Wehret den Anfängen, nie wieder ist jetzt!“

Alle Preisträger*innen auf einen Blick.
Das große „Familienfoto“ mit den Preisträger*innen 2023 und den Festgästen.

FILDERSTADT. Der Leitgedanke der Gedenkstiftung „Gemeinsame Erinnerung – gemeinsame Verantwortung für die Zukunft“ ist aktueller denn je. Der Überfall der islamistischen Terror-Organisation Hamas auf Israel sowie der erneut aufkeimende Antisemitismus in Deutschland lassen aufhorchen und verlangen nach Reaktionen. Viele Menschen sind in Sorge – auch Susanne Bay. Die Stuttgarter Regierungspräsidentin hat Anfang der Woche im Rahmen der diesjährigen Preisverleihung in der Städtische Galerie Filderstadt zur Achtsamkeit aufgerufen: „Wehret den Anfängen. Nie wieder ist jetzt!“

Zum nunmehr 13. Mal hat die gemeinsame Gedenkstiftung der Großen Kreisstädte Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen „Gemeinsame Erinnerung – gemeinsame Verantwortung für die Zukunft“ fünf zivilgesellschaftliche Projekte ausgezeichnet, die alle auf ihre Art vorbildlich sind. Die preisgekrönten Konzepte richten sich beispielsweise gegen Rassismus, überwinden Sprachbarrieren, ermöglichen einen Arabisch-Kurs für geflüchtete Kinder, wertschätzen die Natur, wirken gegen Entfremdung, Hilflosigkeit und soziale Isolation und erarbeiten neue Kulturen des Gedenkens an die Verbrechen des Holocausts.

Das vielzitierte „Nie-Wieder“ – die kompromisslose Ablehnung jeglichen Nazi-Gedankenguts – sei kein Selbstläufer, sondern erfordere Arbeit, viel Aufklärungsarbeit. Darin waren sich Susanne Bay und Claudia Rugart (aus dem Stiftungsrat) einig. Das Erinnern an die Vergangenheit sei wichtig, um „in der Zukunft Akzente setzen zu können“ (Rugart). Gerade hier leiste die Gedenkstiftung (wider das Vergessen) unschätzbar wertvolle Arbeit, die auch Öffentlichkeit schaffe. So wie jedes der ausgezeichneten Projekte, die sich für Toleranz, Vielfalt und Integration sowie gegen Diskriminierung und Ausgrenzung stark machten.

„Habe die Gesellschaft für widerstandsfähiger gehalten“

In ihrem emotionalen Gastvortrag konfrontierte die Regierungspräsidentin die Anwesenden mit der alarmierenden Aktualität dieses Themas: Angesichts des Aufschwungs rechter und nationaler Strömungen müsse sich die Gesellschaft verstärkt mit den „grausamen Verbrechen in der Nazi-Zeit“ auseinandersetzen, würde dabei „in die kaum zu ertragenden Gesinnungsabgründe blicken.“ Susanne Bay: „Ich habe unsere Gesellschaft für widerstandsfähiger gehalten. Die Annahme war falsch.“ Dies verdeutliche, dass die bisherige Aufklärungs- und Erinnerungsarbeit bei so manchem nicht angekommen sei.

Susanne Bay betonte, dass die „Erinnerungskultur“ eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung sei, bei der gerade auch jüngere Menschen eine wichtige Rolle spielten: „Es ist Aufgabe eines jeden Einzelnen, jüdisches Leben zu feiern und zu schützen.“ Es könne nicht sein, dass es in diesem Land Übergriffe auf jüdisches Leben gebe – gerade vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit. Hass dürfe sich keine Bahn brechen. Die Regierungspräsidentin: „Solches Unrecht darf sich nicht wiederholen! Es geht um die Würde von Menschen. Die Schoa (nationalsozialistischer Völkermord) darf nicht vergessen werden!“ Der Antisemitismus müsse entschieden bekämpft werden.

Im Namen des Regierungspräsidiums Stuttgart dankte sie der Gedenkstiftung sowie allen Preisträger*innen für ihre Erinnerungsarbeit sowie die Förderung eines friedlichen gesellschaftlichen Miteinanders. Der Kampf gegen den Antisemitismus sowie alle Formen des Rassismus’ benötige eine starke Zivilgesellschaft. Staatliches Handeln alleine reiche, so Susanne Bay, nicht aus.

Die Preisträger*innen

Für die gemeinsame Gedenkstiftung nahmen Oberbürgermeister Christoph Traub (Filderstadt) und Erster Bürgermeister Benjamin Dihm (Leinfelden-Echterdingen) die Ehrung der diesjährigen Preisträger*innen vor. Herzlichen Glückwunsch:

  • Elisabeth-Selbert-Gymnasium (ESG): Gedenkkultur
  • Uhlbergschule Bonlanden/Kunstschule Filderstadt: Sprach- und Kunstprojekt
  • Verein Integra Filderstadt: Rassis-MUSS nicht sein
  • Verein „Lebenswertes LE“: Arabisch-Kurs für geflüchtete Kinder
  • Kunstschule Filderstadt: Kunst und Natur.

Die musikalische Umrahmung der gut besuchten Veranstaltung übernahmen Sylvio Zondler und Klaus Fitzel. (sk)