Rund 500 Besucher*innen beim städtischen Neujahrsempfang
Von Hoffnung und „Hoffnungsmenschen“
FILDERSTADT. Das Ehrenamt hat viele Gesichter und kann sowohl laut(stark) als auch ganz leise – sozusagen „im Stillen“ – ausgeübt werden. Egal, ob in der Öffentlichkeit oder im Verborgenen: Das vorbildliche Engagement für andere ist vergangenen Sonntag im Mittelpunkt des diesjährigen Neujahrsempfangs von Oberbürgermeister Christoph Traub im Kultur- und Kongresszentrum FILharmonie in Bernhausen gestanden. Das Stadtoberhaupt sagte auf vielfältige Weise einfach einmal „Danke“ – und dies Einzelpersonen wie Gruppen in Filderstadt.
Nach dem traditionellen Ankommen in Filderstadts „guter Stube“, dem Ins-Gespräch- Kommen, Plaudern und Netzwerken bei einem Gläschen Sekt oder Orangensaft wurde das Ehrenamt in seinen unterschiedlichsten Facetten ins Rampenlicht gerückt. Den lautstarken und rhythmischen Anfang machten die Spielmannszüge aus Bernhausen und Bonlanden der Freiwilligen Feuerwehr Filderstadt unter der Leitung von Hartmut Nies und Oliver Schraitle. Christoph Traub nutzte den musikalischen Auftritt, um sogleich allen Floriansjüngern für ihren unermüdlichen Einsatz für die Menschen in der Großen Kreisstadt – und dies Tag und Nacht, 365 Tage im Jahr – zu danken: „Die Feuerwehr verdient es, auf der Bühne zu stehen!“
Aus dem Verborgenen ins Rampenlicht
Ebenso ins Scheinwerferlicht gehören Menschen, die gerne ganz leise in der Gesellschaft wirken: die „Stillen Heldinnen“ Filderstadts. Alljährlich werden diese Vorbilder von der Bürgerstiftung Filderstadt aus dem „Verborgenen“ geholt, der Öffentlichkeit vorgestellt und ausgezeichnet. Deren Vorsitzender, Dr. Wolfgang Herb, betonte in seiner Laudatio, dass diese Würdigung und Wertschätzung des Ehrenamts seiner Einrichtung besonders am Herzen liege: „Dieser Anlass steht nämlich für unsere Stiftungsziele sowie das Miteinander, das Füreinander und das Verbindende in unserer Stadt.“
In seiner Rede blickte Wolfgang Herb auf ein schwieriges Jahr 2023 mit „großen und kleinen Krisen“ zurück. Es sei „rauer und anstrengender in einer Demokratie“ geworden. Sein Wunsch: „Es gilt, diese Demokratie zu stärken und streitbar – aber gewaltlos – zu verteidigen.“ Dazu seien „alle echten und aufrichtigen Demokrat*innen aufgefordert. Der Stiftungsvorsitzende gab sich aber optimistisch: „Wo es dunkel ist, gibt es auch Licht. Ehrenamtliches Engagement ist Licht und stärkt unzweifelhaft die Demokratie und Gesellschaft.“ Die drei „Stillen Held*innen“ 2024 (Birgit Hörz, Vassiliki Mornhinweg und Jana Pongs) seien „strahlende Beispiele“ – das „Fundament unserer Kommune“. Herb: „Und sie zeigen uns, dass die Stärke einer Gesellschaft nicht nur in ihren Institutionen liegt, sondern auch im stillen Einsatz und der Selbstlosigkeit vieler Bürger*innen.“
Humanitäre Hilfe im „erfüllten“ (Un-)Ruhestand
In Sachen Ehrenamt ging es ebenso still, leise und bescheiden weiter. Oberbürgermeister Christoph Traub ließ es sich nicht nehmen, eine außergewöhnliche Frau auf die Bühne zu bitten und persönlich zu interviewen: Dr. Elke Mascher. Die pensionierte, ehemals in Bonlanden niedergelassene Ärztin wurde 2022 für ihr humanitäres internationales Engagement in einem schwer zugänglichen Bergkrankenhaus im Südwesten von Nepal mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Die Filderstädter Medizinerin im „erfüllten und erfüllenden (Un-)Ruhezustand“ arbeitet immer noch regelmäßig in der Notfallpraxis der Filderklinik. Im Gespräch mit dem Stadtoberhaupt erzählte Elke Mascher von ihrem „Kindheits- und Jugendtraum“: „Mit neun Jahren habe ich meiner Mutter erklärt, dass ich Ärztin werde. Im Alter von zwölf Jahren las ich ein Buch von Albert Schweitzer und wusste, dass ich eines Tages in die Entwicklungshilfe gehen würde.“ Doch wohin? Ein Traum wies ihr schließlich den Weg: nach Nepal.
Nach der Pensionierung – mehr als ein halbes Jahrhundert später – setzte Elke Mascher ihren Jugendtraum in die Tat um. Seit nunmehr 15 Jahren reist die erfahrene Ärztin jedes Jahr für ein, zwei Monate nach Nepal und hilft in der Bergklinik (Chaurjahari Hospital), wo Hilfe notwendig ist – kulturbewusst, diplomatisch, sehr sensibel. Im „Dschungel“ – weit entfernt vom deutschen Luxus – gibt die Europäerin viel, bekommt aber nach eigenen Angaben auch jede Menge zurück: Wertschätzung, Dankbarkeit und so manche „Lehrstunde“. „Geht nicht, gibt es in Nepal nicht“, hat Elke Mascher in ihrem Arbeitsalltag fern der Heimat erfahren. Ihre Kolleg*innen vor Ort müssten oftmals mit einfachsten Mitteln „improvisieren“, fänden jedoch stets eine Lösung für ihre Patient*innen. Die Filderstädterin ist dankbar: „Ich fühle mich immer reich beschenkt, wenn ich aus Nepal zurückkehre.“
„Nichts ist im Leben umsonst“
Anreisestrapazen hin, ihr fortgeschrittenes Alter her: Elke Mascher ist nach wie vor voller Tatendrang und sich sicher: „So lange ich es gesundheitlich schaffe, werde ich weitermachen.“ Von ihren deutschen Zeitgenoss*innen wünscht sich die Filderstädterin in diesen schwierigen und sorgenvollen Zeiten Zweierlei: dass sich Menschen um andere kümmern und sich nicht wegen Kleinigkeiten streiten! Und sie macht Mut und gibt Hoffnung. Ihre Überzeugung: „Nichts ist im Leben umsonst – auch Fehlschläge haben ihren Sinn!“
Christoph Traub zeigte sich sehr beeindruckt vom vorbildlichen ehrenamtlichen Engagement Elke Maschers. Er bezeichnete sie als „Hoffnungsmenschen“, der mit seinem Denken und Handeln nicht im Gestern oder Heute verhaftet“ sei, sondern „nach dem Sinn für das Morgen“ suche. Die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes sei, so der Oberbürgermeister, auch ein Beispiel für die wichtige „Kraft des Hoffens“ in diesen unsicheren Zeiten.
„yes no but“
2024 stelle auch die Filderstädter (Stadt-)-Gesellschaft erneut vor zahlreiche Herausforderungen und Veränderungsprozesse, die von den Entscheidungsträger*innen in der Regel ein „Ja“ oder „Nein“ einforderten. In seiner Neujahrsrede beschäftigten Christoph Traub daher drei grundsätzliche Gedanken:
- Zwischen „Ja“ und „Nein“ stehe die „Hoffnung …, dass sich die Extreme nicht weiter auseinanderbewegten … und sich das Trennende verbinden lasse.“
- Zwischen „Ja“ und „Nein“ stehe ein „Aber“. Komplexe Veränderungsprozesse und immense Herausforderungen erlaubten keine einfachen Antworten. So manche „Wende“ werde gerade eingeläutet:Zeitenwende, Wärmewende, Verkehrswende, Klimawende, Migrationswende … „yes no but – ja nein aber“ – dieser „Dreiklang der Demokratie“ symbolisiere auch politische Prozesse und Diskussionen. Traub: „Das Recht, ein ,Aber‘ zu formulieren oder juristischer: das Recht des Einspruchs beinhaltet nichts weiter, als die Dinge nochmals von einem anderen, weiteren Standpunkt aus anzuschauen.“ Bei Überlegungen und Abwägungen sei es „wichtig, dass es bei allen Fragen letztlich zu einer Antwort kommt, dass Entscheidungsprozesse und politische Vorhaben abgeschlossen werden.“
- Zwischen „Ja“ und „Nein“ blieben auch Fragen offen. Nicht alles könne (sofort) beantwortet werden.
Auch Not vor Ort
Die Krisen, Kriege und Katastrophen in der Welt ließen, so das Stadtoberhaupt, auch die Menschen in Filderstadt nicht unberührt. Geflüchtete aus unterschiedlichen Herkunftsländern würden hier Hilfe und Unterstützung erfahren. Traub: „Jedoch wird die Bewältigung der Aufgabe schwieriger.“ Er appellierte an die Politik, „die Last aus Pflichtaufgaben und Rechtsansprüchen von den Kommunen zu nehmen und unseren Staatsaufbau sowie den Föderalismus wieder mit einer gerechten und gleichgewichtigen Partnerschaft aller politischen Ebenen auszustatten.“
Der Oberbürgermeister erinnerte in seinen Ausführungen daran, dass es „auch Not in unserer reichen Stadt“ gebe. Preis- und Kostensteigerungen machten einigen Bürger*innen zu schaffen. Andere seien auf der dringenden Suche nach (bezahlbarem) Wohnraum. Immer schneller werdende Veränderungen und Unsicherheiten bildeten den Nährboden für beunruhigende Entwicklungen. Traub sorgt sich beispielsweise um den gesellschaftlichen Zusammenhalt, Diskriminierung und aufkommenden Antisemitismus in Deutschland.
Hoffnung schöpfe er in diesen Zeiten gerade aus dem „breiten Engagement vieler Menschen hier vor Ort, die sich für Werte, Zusammenhalt und damit für unsere Gesellschaft einsetzen“. Darin lägen die Antworten für das neue Jahr 2024. Zudem werde die Stadtverwaltung gemeinsam mit dem Gemeinderat ebenfalls Antworten auf wichtige Zeitfragen formulieren, die auf die „Gestaltung der Zukunft unserer Stadt ausgerichtet sind“.
Investitionen für die Bevölkerung
Die Begriffe „Hoffen“, „Hoffnung“ und „Hoffnungsmenschen“ (ehrenamtlich Engagierte) spielten in der Rede Traubs eine zentrale Rolle. „Hoffen“ sei auch eine Haltung und bedeute letzten Endes „Zielorientiertes Handeln“. So zählte er eine Reihe von „guten Nachrichten und Botschaften“ auf. Stadt und Gemeinderat investierten rund 126 Millionen Euro in wichtige Entwicklungen und Projekte für die Bevölkerung: unter anderem in den Klimaschutz, den Wohnungsbau sowie „in die Breite unserer Stadtgesellschaft“.
Anbei ein paar Beispiele:
- Erweiterungsbau Elisabeth-Selbert-Gymnasium (ESG)
- Anbau am Biologietrakt des ESG
- Digitalisierung der weiterführenden Schulen
- Neues Kinderhaus an der Brühlstraße in Sielmingen
- Ersatzneubau Gotthard-Müller-Halle als Dreifeld-Halle
- Neues Jugendhaus in Bernhausen
- Städtische Sporträume im sanierten Gartenhallenbad
- S-Bahn begleitende Maßnahmen
- Planungsleistungen für je ein neues Feuerwehrhaus in Harthausen und Plattenhardt
- Sanierung städtischer Gebäude wie: Lange Straße 31 in Sielmingen und Stuttgarter Straße 12 in Plattenhardt
- Investitionen in die Straßeninfrastruktur (Beispiel Paul-Gerhardt-Weg)
- Umsetzung des Mobilitätsentwicklungsplans …
Beeindruckender „Markt der Möglichkeiten“
Der Rathauschef: „An der Gestaltung der Zukunft wirken in und für Filderstadt viele Menschen mit.“ Für diesen Einsatz dankte er allen Beteiligten. Beindruckend zeigte sich die Vielfalt des Ehrenamts in Filderstadt auch auf dem „Markt der Möglichkeiten“ im Foyer der FILharmonie. 32 Vereine, Institutionen, Einrichtungen, Hilfsorganisationen und viele mehr präsentierten ihr breites Engagement in der Gemeinschaft vor Ort – an Infoständen, mit spontanen Mitmachaktionen sowie kurzen musikalischen Kostproben.
Neben den Spielmannszügen der Freiwilligen Feuerwehr begeisterten acht junge Sängerinnen, die von einem Pianisten begleitet wurden, das Publikum im Großen Saal: „Pianissima“. Auch ihnen dankte Christoph Traub für ihre gelungenen Auftritte während des Neujahrsempfangs. Nach unbeschwerten Stunden gingen die Veranstaltungsbesucher*innen nach Hause. Christoph Traub entließ sie ins Jahr 2024 – mit Hoffnung und der Begegnung mit vielen Filderstädter „Hoffnungsmenschen“. (sk)