Neue Gedenktafel erinnert an Nazi-Verbrechen:

Gegen das Vergessen und als Mahnung zur Menschlichkeit

Tafel mit Infotext im Wald

FILDERSTADT. Das dunkelste Kapitel deutscher Vergangenheit ist auch Teil der Geschichte Filderstadts: die Verbrechen des Nationalsozialismus‘. Gegen das Vergessen und als Mahnung zur Menschlichkeit für lebende und künftige Generationen hat die Stadt Filderstadt am Ort des ehemaligen Massengrabs jüdischer Häftlinge im Bernhäuser Forst jetzt eine Gedenktafel aufstellen lassen.

Diese unscheinbare Stelle inmitten des Waldes ist ein Ort, innezuhalten und derer zu gedenken, die 1945 im KZ-Außenlager am Stuttgarter Flughafen (zwischen Bernhausen und Echterdingen) unbeschreibliches Leid ertragen mussten und schließlich den Folgen von Hunger, Kälte, Erschöpfung sowie Krankheiten erlegen sind: den 66 jüdischen Häftlingen. Oberbürgermeister Christoph Traub und Stadtarchivar Dr. Nikolaus Back haben dieser Tage diesen historischen Fundort aufgesucht. Eine neue Tafel erinnert dort an das einstige Massengrab und somit an das schwere Schicksal der an jener Stelle verscharrten Menschen.

Zur Erinnerung: Von November 1944 bis Januar 1945 befand sich auf dem Flughafen Stuttgart ein Außenlager des Konzentrationslagers Natzweiler mit 600 jüdischen Gefangenen aus 17 Nationen. Mindestens 119 von ihnen starben. Nikolaus Back blickt zurück: „Das Ziel der Nationalsozialisten war damals, das Leiden und den Tod der KZ-Häftlinge ohne viel Aufsehens vor der Bevölkerung geheim zu halten.“

Als im Januar 1945 eine Fleckfieber-Epidemie im Lager ausbrach, forderte diese zahlreiche Opfer unter den Häftlingen. Die Toten mussten „verschwinden“. Der Stadtarchivar berichtet: „Die Gräber sollten in dem mehrere Kilometer entfernten Waldstück der Gemeinde Bernhausen möglichst unauffällig verscharrt werden.“ Das Massengrab (drei Gruben) mit den sterblichen Überresten von 66 Toten wurde schließlich im „Bernhäuser Forst“ angelegt.

„Bilder zeitlebens nicht vergessen“

Trotz aller „Verschleierungsversuche“ der Nazis stellt der Experte klar: „Diese Massengräber blieben aufmerksamen Beobachter*innen nicht verborgen. Denn die Wege führten in dieser Zeit durch Plattenhardt, und viele Einwohner*innen haben die Bilder der abgemagerten jüdischen Häftlinge, die im Bernhäuser Forst die Massengräber ausheben mussten, zeitlebens nicht vergessen.“ Stadtarchivar Back: „Menschen, die nicht weggeschaut und sich ein Stück Humanität bewahrt haben, konnten sehr wohl die Judenverfolgung und -vernichtung wahrnehmen – aller Geheimhaltung und Drohung durch die NS-Diktatur zum Trotz.“

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs legte die Gemeinde Bernhausen (im Mai 1945) am Ort des Massengrabs eine einfache Grabstätte an. Die abgesenkten Gräber wurden aufgefüllt, mit Holz eingefriedet und bepflanzt. Im Juli 1945 besetzten die amerikanischen Streitkräfte die Filder. Die US-Army hielt dieses Massengrab inmitten des Waldes für „unwürdig“ und ordnete die Exhumierung der Toten an. Die sterblichen Überreste sollten auf einem jüdischen Friedhof bestattet werden – wenngleich dies im Widerspruch zu den jüdischen Religionsgesetzen stand, die eine „ewige Totenruhe“ vorschreiben.

Gesagt, getan: Am 29. Oktober 1945 wurden die 66 Toten im Beisein eines jüdischen Geistlichen auf dem jüdischen Teil des Ebershalden-Friedhofs in Esslingen wiederbestattet, wo bereits 19 weitere Opfer des KZ-Außenlagers Echterdingen-Bernhausen lagen. An dieser Stelle wurde im Jahre 1947 als Gedenkstätte ein liegender, etwa fünf Meter großer Davidstern errichtet. Die Pläne hierfür stammten von dem Stuttgarter Künstler Ernst Schwab.

Die Inschrift des Kunstwerks lautet: „Hier ruhen 85 Juden unbekannter Nationalität, Opfer nationalsozialistischer Grausamkeit. Ihr Sterben sei eine Mahnung zur Menschlichkeit für die lebende Generation.“ (1947).

Massengrab 2006 geortet

Der Ort der ehemaligen Grabstätte im Bernhäuser Forst geriet daraufhin lange Jahre in Vergessenheit. Erst 2006 gelang es Mitarbeitenden des Instituts für Bodenkunde der Universität Hohenheim, dieses einstige Massengrab mittels historischer Luftbilder und Bodenproben wieder zu orten. 2015 errichtete die Stadt Filderstadt an der historischen Stelle eine kleine provisorische Gedenkstätte, die durch Oberbürgermeister Christoph Traub sowie Landesrabbiner Netanel Wurmser eingeweiht wurde. Durch große Steine wurde das frühere Massengrab markiert und damit nach außen sichtbar gemacht.

Die inzwischen bewachsenen Steine liegen noch immer an dieser authentischen Stelle. Seit kurzem steht dort zudem eine Gedenktafel, die an das dunkelste Kapitel deutscher und Filderstädter Geschichte erinnert. Hölzerne Schilder weisen den Weg. Nikolaus Back: „Inzwischen besuchen viele Spaziergänger*innen diesen Ort – einen Ort, an dem ,Vernichtung durch Arbeit` in furchtbarer Weise deutlich wird. Dieses Stückchen Erde inmitten des Waldes ist aber auch ein Ort des Versteckens von schrecklichen Gräueltaten des Nationalsozialismus.“

 Wegbeschreibung: „Weilerhau. Am Forstbetriebshof den Weg nehmen in Richtung Tennishalle, da rechts abbiegen in Richtung Wald bis zur Station des Waldsportpfads. Von dort aus circa einen Kilometer in Richtung Bärensee weitergehen. Dann weist ein Schild rechts zur „Gedenkstätte“, nach weiteren geschätzten 200 Metern ist ein weiteres Schild „Gedenkstätte“ angebracht. Folgt man diesem rechts, erreicht man rund 50 Meter weiter das Ziel.“ (sk)