Über 800 Besuchende beim zweigeteilten Auftakt
Ein „Fenster“ mit Blick auf Gestern, Heute und Morgen
FILDERSTADT. 2025 – kein gewöhnliches Jahr, kein gewöhnlicher Neujahrsempfang. So hat Oberbürgermeister Christoph Traub vergangenen Sonntag zu einer zweigeteilten Auftaktveranstaltung ins Jubiläumsjahr „50 Jahre Filderstadt“ eingeladen. Er öffnete den Blick – sprich das „Fenster“ – für die insgesamt über 800 Gäste im Kultur- und Kongresszentrum FILharmonie in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Auf der (Zeit-)Reise „Zurück in die Zukunft“ ging es zum einen um Bewährtes und Liebgewonnenes wie die „Tradition“ und „History“, zum anderen um „New Life“ mit Gedanken über Werte, Demokratie, Frieden, Freiheit, Gastfreundschaft sowie Inklusion.
Mal gewährte die Aussicht durchs (Zeit)Fenster einen Blick auf Gestern, mal auf Heute oder auch auf Morgen. Bei aller Unterschiedlichkeit der beiden Veranstaltungsteile von „Zurück in die Zukunft“ kam das Stadtoberhaupt Christoph Traub am Ende des Auftakts ins Jubiläumsjahr 2025 schließlich zu einem gemeinsamen Resümee und (Aus)Blick: „Die Menschen sollen gewiss sein, dass Filderstadt eine gute Zukunft hat.“
Zurück zur Chronologie – zu Teil 1 der Auftaktveranstaltung: Nach der persönlichen Begrüßung der Besuchenden durch Christoph Traub und seine Ehefrau Constanze, einem Glas Sekt sowie guten Gesprächen im FILharmonie-Foyer öffnete sich der Vorhang für den Part „Tradition“/„History“. So stimmten die beiden Spielmannszüge der Freiwilligen Feuerwehr Filderstadt aus Bernhausen und Bonlanden (Leitung: Hartmut Nies und Oliver Schraitle) – wie alle Jahre wieder – in bewährter und beliebter Weise die Gäste auf einen unterhaltsamen Vormittag ein. Das Stadtoberhaupt zu den musikalischen Blauröcken: „Sie machen starke Musik, und ich bin froh, dass unsere Feuerwehr diese Tradition pflegt.“
„Stille Held*innen“: „Veränderung zu Besserem beginnt meist im Kleinen“
Weiter in der Tradition: Was wäre ein Auftakt in ein neues Jahr ohne die Wertschätzung von Filderstadts „Stillen Held*innen“ durch die Bürgerstiftung Filderstadt und die Stadt? Zweifellos würde ein wichtiger Mosaikstein im Veranstaltungsprogramm fehlen. 2025 stellte erneut der Stiftungsvorsitzende, Dr. Wolfgang Herb, die drei Persönlichkeiten vor, die sich in vorbildlicher Weise ehrenamtlich in der Stadtgesellschaft für andere engagieren: Horst Schmiegel, Florian Schweizer sowie Friedericke Seefried. Die Drei erhielten viel Applaus vom Publikum.
Wolfgang Herb machte – trotz der Kriege in der Welt, den Klima- und Wirtschaftskrisen sowie den zahlreichen weiteren Herausforderungen dieser Zeit – Hoffnung auf 2025: „Angst ist keine Option, Apathie aber ebenso wenig. Zwar können wir nicht die ganze Welt auf einmal verändern, aber wir können in unserem direkten, kommunalen Umfeld dazu beitragen, unsere Gesellschaft zu stärken – dort, wo wir Menschen um uns herum direkt erreichen. Veränderung zu Besserem beginnt ja meist im Kleinen. Und allein die Kraft eines Einzelnen – gepaart mit Entschlossenheit – kann große Dinge bewirken.“
Als konkrete Beispiele aus dem Leben nannte der Vorsitzende die „Stillen Held*innen“. Seine Überzeugung: „Sie zeigen uns, dass die Stärke einer Gesellschaft nicht nur in ihren Institutionen liegt, sondern auch im stillen Engagement.“ Durch ihren Einsatz schafften Menschen Perspektiven in der Stadt, stärkten den gesellschaftlichen Zusammenhalt und damit die Demokratie. Zudem würde Zuversicht vermittelt und ein kleines Geschenk für den Zusammenhalt geleistet werden.
Sängerbund Sielmingen: 125 Jahre und „kein bisschen leise“
Mit Urkunde und Blumen gratulierte Wolfgang Herb (gemeinsam mit Christoph Traub) zur Auszeichnung. Der Oberbürgermeister: „Wir danken Ihnen für Ihre wertvolle Arbeit, die oftmals im Verborgenen geleistet wird. Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement machen unsere Stadt stark.“ Apropos „stark“: Dieses zentrale Wort führte durch den Vormittag, spielte auch in der (Neujahrs-)Rede des Stadtoberhaupts eine große Rolle. Traubs Erklärung: „Ein Wort wie ,stark‘ zeigt, dass Worte Zeiten prägen, und gleichzeitig, dass Worte auch von der Zeit geprägt sind.“
Ebenfalls einen starken (!) Auftritt hatte am Sonntagvormittag der Sängerbund Sielmingen, der 2025 sein 125-jähriges Bestehen feiert. Herzlichen Glückwunsch! Die Aktiven (unter der Leitung von Gerhard Werz und mit Klavierbegleitung durch Leila Walter) stellten eindrucksvoll unter Beweis, dass ihr betagter Verein noch „kein bisschen leise“ ist. Die Sänger*innen unterhielten mit bekannten Liedern und Songs wie „Junger Tag“, „Wunder gibt es immer wieder“, „Marmor, Stein und Eisen bricht“, „Hallelujah“ sowie „I have a dream“ das Publikum in der FILharmonie, das die gesanglichen Darbietungen mit viel Beifall honorierte.
Jede*r erlebt „seine“ Stadt anders
Ebenfalls eine Tradition einer Jahresauftaktveranstaltung: die (Neujahrs-)Rede des Oberbürgermeisters. Mit seinen Worten hat Christoph Traub ein „Fenster“ geöffnet, das im städtischen Jubiläumsjahr bewusst den Blick in die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft richten soll. Seine Begriffserläuterung: Ein Fenster lasse stets einen beidseitigen Blick zu – von der einen Seite „zurück“, von der anderen „in die Zukunft“.
Die zentrale Frage in seiner Rede: „Was feiern wir eigentlich 2025?“ Auf der Suche nach der Antwort erinnerte Traub unter anderem daran, dass 1975 aus den ehemals selbstständigen Gemeinden Bernhausen, Bonlanden, Harthausen, Plattenhardt und Sielmingen zunächst für acht Monate „Filderlinden“ entstanden sei, aus dem schließlich die heutige Große Kreisstadt Filderstadt hervorging.
Anhand des „Wahrheitsfindungsprozesses“ aus der „Elefanten-Parabel“ von Rumi, der von 1207 bis 1273 im heutigen Afghanistan (dem damaligen Persien) gelebt hat, erklärte das Stadtoberhaupt: „So ist es auch mit einer Stadt – auch mit Filderstadt. Jede*r erlebt den Stadtteil, in dem sie*er lebt, anders. Gleiches gilt auch für das jeweilige Verhältnis zur Gesamtstadt. Das war vor 50 Jahren so, und das ist heute so.“
„Filderstadt ist von einer starken Stadtgesellschaft getragen“
Mit der Gemeindereform sollte, so Traub, die „Leistungsfähigkeit kleinerer Gemeinden“ gestärkt werden. Das Verhältnis zur großen Landeshauptstadt Stuttgart musste neu definiert werden. Dabei habe die „Fünfer-Lösung“ für die mittlere Filder keinesfalls auf der Hand gelegen. Denn: „Noch im Januar 1974 ergab eine Bürgeranhörung nur in Bernhausen eine Mehrheit für den Zusammenschluss zu fünft. Bonlanden und Plattenhardt votierten für eine Zweier-Lösung. Harthausen sprach sich für ein Dreier-Bündnis mit Sielmingen und Bernhausen aus. Sielmingen hingegen wollte selbstständig bleiben…“
Und es kam schließlich, wie es kommen musste: zur heutigen Großen Kreisstadt Filderstadt. Christoph Traubs Fazit: „Das feiern wir eigentlich…Einen starken und sicher nicht einfachen Entscheidungsweg, der unserer heutigen Stadt aber Stärke verliehen und allen hier lebenden Menschen objektiv starke Möglichkeiten anbietet. Und das, weil Filderstadt von einer starken Stadtgesellschaft getragen ist.“ Die komplette Rede ist auf der städtischen Homepage unter: www.filderstadt.de nachzulesen.
Filderstadts „wohltuende Gastfreundschaft“ erhalten
Ende Teil 1 mit rund 550 Gästen in Bernhausen. Wenige Stunden später ging die Auftaktveranstaltung zu „50 Jahre Filderstadt“ in eine zweite Runde, die noch einmal etwa 280 Besuchende zählte. Der Titel: „New Life – Wert einer Stadt in Vielfalt und Frieden“. Zu Beginn des Spätnachmittags blätterte der Oberbürgermeister auf den ersten Seiten des „Goldenen Buchs“ der noch jungen Stadt Filderstadt und fand folgenden Eintrag:
„Die Große Kreisstadt Filderstadt soll sich zu einem Mittelpunkt entwickeln, dessen Name in aller Welt einen guten Klang haben wird, und dessen Gäste sich einer wohltuenden Gastfreundschaft gewiß sein können…“
Dieses Zitat ließ seinen Blick durch das „Fenster“ kurz zurück (zu den Anfängen der Stadtgeschichte), dann aber in die Gegenwart und Zukunft Filderstadts schweifen. Welche Werte galten damals? Welche Werte bestehen heute noch, sind aber inzwischen – von außen und innen – bedroht? Welche Werte gilt es für die Zukunft zu bewahren? Fragen über Fragen, die Christoph Traub mit seinen Talkgästen und den musikalischen Beiträgen der Band RAHÎ beantwortete. Durch den zweiten Part der Auftaktveranstaltung führte das Moderatorenduo Emilia Koasidou und Finn Hirsch – zwei Mitglieder des Filderstädter Jugendgemeinderats (JGR).
„Was ist zu tun, damit der Adler auf dem Pass nicht verblasst?“
Während die Vergangenheit nicht mehr zu beeinflussen sei, betonte Traub: „Die Zukunft ist noch nicht geschrieben. Wir selbst haben das Handwerkszeug dazu.“ Beim Blick auf das Morgen spielten die Demokratie wie das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor eine entscheidende Rolle. Seine Frage: „Was ist zu tun, damit der Adler auf dem Pass auch künftig nicht verblasst?“ Sein Wunsch: Werte wie Menschenwürde und Gastfreundschaft seien in der Vergangenheit angelegt worden, dürften aber auch in der Gegenwart und Zukunft nicht verschwinden. Deutschland und auch Filderstadt stünden, so Christoph Traub, für Freiheit, Frieden, Vielfalt und Teilhabe aller. Mit diesen Gütern beschäftigten sich die beiden Talkrunden des Nachmittags. Zunächst begrüßte der Rathauschef folgende Gesprächspartner*innen auf dem Podium: Dr. Michael Blume (der Beauftragte des Landes Baden-Württemberg gegen Antisemitismus), Jihan Alomar (eine Überlebende des Genozids an den Jesid*innen durch den so genannten „Islamischen Staat“), Mirjam Walter (Konfliktberaterin und ehrenamtliche Entwicklungshelferin mit dem Schwerpunkt Syrien) sowie die beiden JGR-ler Sarah Bauer und Derwes Agirman.
Sie alle teilten ihre ganz persönlichen Gedanken in Sachen Frieden und Freiheit. „Ich habe erst in Deutschland gelernt, was Frieden ist. Bin sehr dankbar, dass man mich aufgenommen hat. Hier habe ich die Freiheit, der Mensch zu sein, der ich sein will, der auch seine Religion ausüben und in die Schule gehen darf. Dies alles wäre im Nordirak unmöglich gewesen…“ (Jihan Alomar). „Frieden ist mehr als (nur) die Abwesenheit von Krieg“, sagt Mirjam Walter. Sie wünscht sich für ein „gutes Zusammenleben“ aller Menschen, dass Konflikte konstruktiv gelöst werden und nicht in der Polarisierung enden. Ihre Überzeugung: „Das Grundgesetz muss (wieder) als gemeinsame Grundlage anerkannt und gelebt werden.“
Sarah Bauer und Derwes Agirman freuen sich über die „kulturelle Vielfalt in Filderstadt“ – beispielsweise auf Veranstaltungen, im Ehrenamt, im Jugendgemeinderat, in der Jugendkunstschule, in den (Sport-)Vereinen oder auch auf der traditionellen „Markungsputzete“. Überall in der Großen Kreisstadt gebe es Raum für Kommunikation und Dialoge. Für die Zukunft wünschen sich die Beiden, dass „Filderstadt – eine Stadt, viele Möglichkeiten“ bleibt, eine „Kultur des Zusammenhalts“ sowie Mut und Toleranz bei der Begegnung mit anderen Menschen.
Zu Michael Blume: Der Filderstädter Religionswissenschaftler hat im Namen des Landes Baden-Württemberg 2016 1.100 schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak geholt, um sie vor dem IS-Terror zu schützen. Die meisten der Kontingentflüchtlinge waren Jesidinnen. Der Plattenhardter leitete die gefährliche Mission. Für die Zukunft wünscht er sich unter anderem ein „demokratisches Zusammenleben“, dass Menschen für andere offen sind und „viele Stimmen, die auch in schwierigen Zeiten an eine Zukunft glauben“.
„Inklusion kann nur gemeinsam gelingen“
Ebenso spannend erzählten weitere Talkgäste von der „Karl-Schubert-Gemeinschaft“, die von Emilia Koasidou und Finn Hirsch interviewt wurden, aus ihren Leben, Wohnen und Arbeiten: Sabine Müller (Frauenbeauftragte), Matthias Adam (Mitarbeiter in der Kerzenabteilung) sowie Geschäftsführer Tobias Braun. Die Gespräche zum Thema „TO BE INCLUSIVE“ machten deutlich, wie wichtig der Kontakt von Menschen mit und ohne Assistenzbedarf ist. Während Sabine Müller den Besuch von Grundschulkindern schätzt („Wir können viel voneinander lernen“), liebt es Matthias Adam, Interessierte durch die Werkstatt zu führen und den Besuchenden zu zeigen, wie Kerzen hergestellt werden („Das macht mir so viel Spaß“).
Geschäftsführer Tobias Braun erklärte die wichtigen Bedingungen für ein erfolgreiches Wirken der „Karl-Schubert-Gemeinschaft“, die bereits 1973 gegründet wurde: „Um sinnvolle und machbare Arbeit für unsere Menschen mit Assistenzbedarf anbieten zu können, brauchen wir vor allem eines: Arbeit – beispielsweise von Fremdfirmen.“ Darüber hinaus müssten natürlich auch genügend Konsument*innen die Produkte aus den Werkstätten – beispielsweise Nudeln und Kerzen – kaufen. Als besondere Kooperationspartnerin nannte Braun die Musikschule Filderstadt. Im FILUM betreue „sein“ Team den Cafébetrieb und sorge für die Reinigung des Hauses. Seine Erfahrung: „Inklusion kann nur gemeinsam gelingen.“
Seine Wünsche für die Zukunft: bezahlbaren, barrierefreien Wohnraum, genügend Menschen im Freiwilligendienst sowie noch mehr inklusive Freizeitgestaltung für die Menschen mit Assistenzbedarf – gerne in Filderstädter Vereinen.
„Begegnung zwischen den Menschen ist alles“
Musikalisch umrahmt wurde der zweite Teil des Auftakts für „50 Jahre Filderstadt“ von RAHÎ. Die dreiköpfige Band (die Geschwister Rager und Hizir sowie Sahin) erzählt mit ihrem ganz eigenen Sound persönliche Geschichten aus ihrem Leben, berichtet über Erlebtes (zum Beispiel in zwei ganz unterschiedlichen Kulturen aufgewachsen zu sein) und spricht auch über Hoffnungen auf ein Morgen. Mal zart, leise und berührend – mal laut(er), tempogeladen und mitreißend. Immer verschieden und doch immer RAHÎ. Ihre Botschaft: „Begegnung zwischen den Menschen ist alles. Sie schafft Realität, Austausch und eine Zukunft für alle.“ Christoph Traub dankte dem Trio für „starke Worte, aussagekräftige Texte, musikalisches Können, den exzellenten Gesang und die Hingebung in der Darbietung.“
Sein weiterer Dank ging an alle Mitwirkenden beider Auftaktteile (vormittags wie nachmittags) ins Jubiläumsjahr, an das rührige Team der FILharmonie sowie an seine Assistentin Andrea Schäfer und seine Referentin für Internationales und Koordination Gulistan Nas für die Eventorganisation. Letztere habe „zudem die Initialzündung für die Auftaktveranstaltung gegeben“. Der Abend klang bei Sekt, antialkoholischen Getränken, Gebäck und guten Gesprächen aus. Christoph Traubs Schlusswort: „Vergessen Sie nicht: Jeder Mensch ist ein Wunder.“ (sk)